Episode 5 - Fotohaus Heimhuber

Januar 2020 - Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 5. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Wir führen unsere Serie „Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel" fort, mit dem Fotohaus Heimhuber, das über das größte zusammenhängende Bergbildarchiv der Welt verfügt.

Auf den Spuren des größten zusammenhängenden Bergbildarchivs der Welt

Das Fotohaus Heimhuber – in Sonthofen ist es längst so etwas wie eine Institution. Wer historische Alpenmotive in herausragender Qualität auf Leinwand drucken und mit den Bildern die eigenen vier Wände schmücken möchte, der ist in dem sympathischen Geschäft im Zentrum des Allgäu-Städtchens genau an der richtigen Adresse. Ein großer Aufwand für die Bestellung ist nicht nötig: Dank eines ebenso ausgeklügelten wie einfach zu bedienenden Online-Shops gelangt der Kunde mit ein paar Klicks schnell ans Ziel. Wegbegleiter der Inhaberinnen Claudia und Lena Heimhuber beim Aufbau von E-Commerce- und Multichannel-Strategien war die Rid Stiftung.

Es ist noch gar nicht so lange her, da stand das traditionsreiche Fotogeschäft an der Bahnhofstraße 1 buchstäblich am Scheideweg. Auf dem Markt weiter erfolgreich bestehen – oder untergehen: Das war die schmerzliche Frage, mit der sich die Heimhubers quasi über Nacht konfrontiert sahen. Um gegen Elektro-Riesen, die einen anonymen Markt mit Massenware überschwemmen, zu bestehen, musste eine Entscheidung her. Und zwar schnell. Die Zeit drängte. „2012 war das“, erinnert sich die jetzige Inhaberin Lena Heimhuber. Nicht lange zuvor hatte die heute 36-Jährige ihr Betriebswirtschaftsstudium absolviert, ihr beruflicher Werdegang führte sie quer durch Europa, unter anderem ins niederländische Maastricht und an die Küsten des Mittelmeers nach Barcelona. Die polyglotte und frisch gebackene junge Akademikerin hatte noch nicht explizit daran gedacht, ins elterliche Geschäft einzusteigen, sondern ihre Fühler erst einmal weit auf dem Kontinent auszustrecken. Doch als es dann in diesem Schicksalsjahr um diese, für die Zukunft des heimischen Fotogeschäfts alles entscheidende Frage ging, zögerte sie nicht lange: „Schnell wurde mir klar, dass meine berufliche Zukunft in meiner Heimatstadt liegt – bei meinen Eltern und dem Fotogeschäft.“

Passgenau entworfen: Mit den digitalen Tools des Regensburger Start-Ups Vuframe lassen sich die eigenen vier Wände virtuell gestalten. Foto: Vuframe

Lena Heimhuber führt den Familienbetrieb jetzt in fünfter Generation

Bislang hatte man vorwiegend auf das alt bewährte stationäre Konzept gesetzt: den Verkauf von Kameras und Dienstleistungen rund um den Fotoservice – Pass- und Bewerbungsbilder, Baby- und Hochzeitsfotografie, Aufdrucke, Bild-Einrahmungen und vieles mehr. Doch das reichte nicht mehr, es fehlte das entscheidende Etwas, der Kniff, der das Fotohaus heraushob aus der Masse der Konkurrenten und ihm sein unverwechselbares Gepräge gab. Ganz zu schweigen von den Elektro-Giganten, die auch im Allgäu an jeder Ecke waren und Kundschaft wie am laufenden Band abzogen. Die Heimhubers bekamen genau das zu spüren, was seit Jahren schon eine der Herausforderungen für den bayerischen Einzelhandel ist: die eigene Zukunftsfähigkeit im Umfeld eines immer mehr gesichtslosen wie auch erfolgreicherer werdenden Marktes im Hinblick auf Preispolitik und Online-Dienstleistungen. Eine Innovation musste her. Und zwar nicht irgendeine, sondern eine schlagkräftige, richtungsweisende.

Da hatte der damalige, 2015 verstorbene Inhaber des Sonthofener Fotohauses und Vater von Lena Heimhuber, Eugen Heimhuber, die zündende Idee: selbst in den digitalen Markt einzusteigen und dort ein unverwechselbares Geschäftsmodell zu etablieren – die historische Alpenfotografie, online zugänglich gemacht. Mit wenigen Klicks Traumfotos aus der Bergwelt rund ums Allgäu und anderer Alpengipfel in gestochen scharfer Qualität aussuchen, sie auf Leinwand drucken und sich die fertigen Bilder dann in verschiedenen Formaten ins eigene Zuhause liefern lassen: „Das war es, was meinem Vater vorschwebte – und er hat sich sofort ans Werk gemacht“, schildert Lena Heimhuber bewegt. So viel Tafelsilber schlummerte in den Archiven im Keller des mehrstöckigen Hauses – in Form Tausender einzigartiger Schwarz-Weiß-Bilder, die Motive aus 140 Jahren Fotografie festhalten. Warum den Schatz nicht buchstäblich ans Licht bringen? Warum nicht den Kunden davon profitieren lassen? Zumal die Heimhubers nicht irgendjemand im Ort sind. Sie haben buchstäblich Geschichte geschrieben. Bild- und Berggeschichte.

Großartige Bergmotive mit imposanter Kulisse in einer gestochen scharfen Fotografie: Das war und ist das Markenzeichen des Fotohauses. Foto: Fotohaus Heimhuber / Archiv

EINE ZEITREISE: BEGONNEN HAT ALLES 1877

Tradition pur: Seit 1877 machen Heimhuber-Motive das Allgäu bekannt. Denn Geschäftsgründer Joseph Heimhuber wendet sich seit den ersten Aufnahmen mehr und mehr der Landschaftsfotografie zu. „Weil er der einzige Fotograf weit und breit ist, erhält er schnell Aufträge – zum Beispiel von den sogenannten Verschönerungsvereinen“, erzählt Lena Heimhuber, vierfache Ur-Enkelin des Gründers. Die verlockenden schwarz-weiß Motive sollten zahlreiche Kurgäste nach Oberstdorf, Fischen, Sonthofen und Hindelang locken. Zeitgleich legt der findige Foto-Pionier den Grundstein für den damals größten Ansichtskartenverlag Deutschlands: Über viele Jahrzehnte hinweg wurden Millionen von Heimhuber-Postkarten in alle Welt versendet. Auch ein anderes Segment gedieh unter seinen Händen: die Porträtfotografie.

Voluminöses und schweres Equipment, wagemutige Kletterer, Touren, die in der damaligen Zeit noch wahrhaft Heldenstatus besaßen, Touren, bei denen die Familienangehörigen nicht wussten, ob sie ihre Liebsten am Abend wiedersehen würden: „Das war wirklich eine aufregende Zeit“, sagt Claudia Heimhuber, die das Geschäft rund 40 Jahre mit ihrem Mann geführt und 2016 an ihre Tochter Lena übertragen hat, die Familiengeschichte im Rückblick. Von den Abenteuern, Seilschaften, Landschaften und nicht zuletzt den großartigen Bergwelten entstanden so im Lauf der Jahrzehnte über Hunderttausende von Aufnahmen – ein Juwel nach dem anderen. Heute ist das Fotohaus stolz, das größte zusammenhängende Bergbildarchiv der Welt zu sein.

Wer die Bilder anschauen möchte, kann dies tun – vor Ort und kostenlos: Im Fotogeschäft ist eine Dauerausstellung eingerichtet. Foto: Fotohaus HeimhuberR

Wer die Bilder betrachten will, der kann dies tun – ganz umsonst übrigens: Im Fotogeschäft ist ein Museum eingerichtet, das auf mehreren Etagen eine beeindruckende Auswahl dieser Aufnahmen zeigt. Verteilt auf das Treppenhaus und liebevoll mit charakteristischem Mobiliar wie alten Kinosesseln und Holz-Skiern ausgestattete Zimmer, ziehen sie sich dort die Wände entlang und nehmen den Betrachter sofort durch Motiv, Aufmachung und Ambiente in Beschlag. Stundenlang könnte er sich hier aufhalten und eintauchen in diese gläsernen Gletscherwelten, die einst auf Glasplatten abgelichtet, auf ein Negativ projiziert und dann mit aufwändigen Verfahren im Fotohaus in ein Bild gebannt wurden.

Der digitale Umbruch: 2016 haben die Heimhubers umgesattelt

All das schlummerte in den Archiven im Keller, unbehelligt von der Öffentlichkeit. Dabei warteten die Aufnahmen geradezu darauf, aus dem Dornröschenschlaf erweckt zu werden. 2012 war es so weit: Eugen Heimhuber beschloss, sie zum Verkauf anzubieten. Die Idee: Der Kunde selbst sollte aus den Tausenden von Motiven eine Auswahl treffen, die Motive auf verschiedenen Formaten konfigurieren, aufdrucken und sich nach Hause liefern lassen können. So unkompliziert und bequem wie möglich. „Damit wurde der Grundstein für unseren Online-Shop quasi wie von selbst gelegt“, schildert Lena Heimhuber. „Denn nur über das Internet lässt sich das bestmöglich organisieren.“ Doch wie den entsprechenden Dienst aufbauen? Wie sich das umfangreiche Know-How, das hierfür nötig ist, aneignen? Wie sich durch den Dschungel von Begriffen wie Multichannel, E-Commerce, Pure Player, Showroom, die im Geschäft nie eine Rolle gespielt hatten, durchwühlen? Welche Schneisen galt es wo zu schlagen – und vor allem: Wer würde dabei helfen? Fragen über Fragen. Da hörten die Heimhubers vom Angebot der Rid Stiftung in München.

 

Das Geschäft wurde inzwischen umfassend modernisiert. Ein innovativer Bestandteil ist beispielsweise das digitale Kundenterminal. Foto: Fotohaus Heimhuber.

Von Anfang an Wegbegleiter: die Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel

„Ohne die Rid Stiftung hätten wir das schwer stemmen können. Ich glaube nicht, dass wir es so geschafft hätten, wie wir es schließlich geschafft haben“: Mit diesen Worten beschreibt Tochter Lena Heimhuber den Weg hin zum Um- und Weiterbau des Fotohauses, hin zu den Erfordernissen des digitalen Zeitalters. Ein Weg, der sich gelohnt hat: Inzwischen macht der Teil des Gesamtumsatzes, den das Geschäft über den Online-Handel erzielt, mindestens 20 Prozent aus. Nur noch wenige Kameras stehen in den Schaufenstern, dafür begegnet man im Eingangsbereich des 2017 komplett modernisierten und auf den Onlineshop abgestimmten Ladens – neben einer gemütlichen Sitzecke mit Bildbänden – gleich einem digitalen Kundenterminal. Maßgeblich dabei unterstützt haben die Heimhubers dabei die Seminare der Rid Stiftung, die von „elaboratum“, einem E-Commerce-Experten für digitales Business und Cross-Channel-Strategien, umgesetzt wurden. 2014 hat Lena Heimhuber erstmals ein Rid Coaching von „elaboratum“ und Prof. Dr. Klaus Gutknecht besucht – mit Erfolg: „Gerade als Quereinsteiger haben wir enorm von den Inhalten profitiert – wir sind ja keine Programmierer, sondern Einzelhändler. Mit speziellen Online-Themen hatten wir bis dahin kaum etwas zu tun“, schildert Lena Heimhuber. Vor allem die Frage der technischen Umsetzbarkeit im neuen Shop war von zentraler Bedeutung. „Wir waren nicht nur in München auf den Seminaren, es kamen auch Berater zu uns, um sich das Geschäft anzuschauen und uns konkret vor Ort zu helfen.“ Denn was so einfach aussieht und so nutzerfreundlich ist, hat seine Tücken: Hinter jedem Klick, mit dem das bestellte Bild scheinbar wie von selbst im „Warenkorb“ landet, stehen Datenanalysen, Datenströme, Ergebnisse von Marktforschungen – und nicht zuletzt unzählige im Hintergrund tätige Programmierschritte. Auch die Frage, wie man sich Spitzenplätze in Suchmaschinen sichert, bedarf einer gezielten Strategie – einer, wie sie nur Spezialisten entwerfen können.

Ständige Anpassung, ständiges Weiterentwickeln: Nur wenn EinzelhändlerInnen am Puls der Zeit bleiben, haben sie eine Chance, den großen Handelsketten und Discountern erfolgreich die Stirn zu bieten. Auch das haben Lena und Claudia Heimhuber auf den Seminaren der Rid Stiftung gelernt. Zusätzlich zu den E-Commerce-Einheiten nahmen sie an Kursen über Personalführung und Kundenbindung teil – denn der „digitale“ Kunde ist anders als der „stationäre“. Er ist schnelllebiger und will mit gezielten Werbeeffekten bei der Stange gehalten werden. Der Verpuffungseffekt in der Online-Welt ist groß.

Für den nächsten Schritt steht das Fotohaus ebenfalls bereits in den Startlöchern: Geplant ist, in das Thema „Virtual Reality“ einzusteigen. Künftig sollen die Kunden die Möglichkeit haben, das Lieblingsbild vor dem Kauf gewissermaßen „auszuprobieren“. Dank einer cloudbasierten Plattform, entwickelt vom Regensburger Start-up „Vuframe“, ist es möglich, den Lieblingsgegenstand maßstabsgetreu ins Zimmer seiner Wahl zu projizieren und auf diese Weise eine perfekte Produktansicht in den eigenen vier Wänden zu bekommen. „Trendforschung spielt bei uns eine ganz große Rolle“, sagt Lena Heimhuber. Die junge Chefin der Traditionsfirma Heimhuber kann sich durchaus vorstellen, das System bald im eigenen Shop zu nutzen, um den Kunden eine zukunftsweisende User-Experience zu bieten.

Text: Rafael Sala
Fotos: Fotohaus Heimhuber