Episode 2 - Intersport Eisert

Mai 2010 - Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 2. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Wir führen unsere Serie „Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel" fort, mit einem Unternehmer, der einen außergewöhnlichen Start und Werdegang hat.

Wir sind im Gespräch mit Christian Bier, dem Geschäftsführer von Intersport Eisert in Erlangen.

 

Dezember 2020

Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie setzen uns allen in vielerlei Hinsicht sehr zu. Auch bisherige „Erfolgsgeschichten“ sind betroffen.
Das Sportfachgeschäft „Intersport Eisert“ in Erlangen musste im Mai 2020 Insolvenzantrag stellen und hat im November 2020 den Geschäftsbetrieb eingestellt.

Das Haus in der Erlanger Innenstadt war eines der bedeutenden Sportgeschäfte in der Metropolregion und gehörte zu den führenden Sportartikel-Fachgeschäften in Nordbayern.

Der Geschäftsführer, Christian Bier hat eine außergewöhnliche Lebensgeschichte, die Sie hier nachlesen können…und wir sind auf die Fortsetzung gespannt und wünschen ihm das Allerbeste!

 

Christian Bier, Geschäftsführer von Intersport Eisert in Erlangen

Intersport Eisert

Das Traditionsunternehmen Sport Eisert wurde 1919 in Erlangen von der Familie Eisert gegründet und ist noch heute in der vierten Generation in Familienbesitz. Im Großraum Erlangen findet man Intersport Eisert an fünf Standorten stationär sowie online mit eigenem Webshop.

Interview mit Christian Bier – Geschäftsführer Intersport Eisert

Christian Bier leitet seit 2012 Intersport Eisert, ein Unternehmen mit rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Für den Berufswechsel vom Lehramt zum Sporthandel nahm er an dem berufsbegleitenden Qualifizierungsprogramm „Unternehmensführung im Handel" der Rid Stiftung teil.

 

Der Einzelhandel ist in Deutschland der drittgrößte Wirtschaftszweig und ist seit einigen Jahren massiven Veränderungen ausgesetzt. Wachstum findet vor allem online statt. Zudem hat das Internet die Spielregeln massiv verändert. Alles in allem mehr als genug Herausforderungen für ein Traditionsgeschäft. Aber in Ihrem Fall, Herr Bier, kam eine weitere, sehr außergewöhnliche Herausforderung dazu. Was war das?

Christian Bier:
Mein Schwager, der Geschäftsinhaber von Intersport Eisert, ist vor gut sieben Jahren von heute auf morgen verstorben. Alle waren wie vor den Kopf gestoßen. Wir wussten alle nicht, wie es weiter gehen kann. Zu dem Zeitpunkt war ich Gymnasiallehrer und auf dem Sprung an die Uni für eine Promotionsstelle. Ich war mir aber eigenartigerweise relativ schnell sicher, dass ich als Lehrer ausscheiden und bei Sport Eisert anfangen werde, um die Verantwortung zu übernehmen.

Da ich als Lehrer wenige Kenntnisse in BWL hatte, habe ich von unserem Partner Intersport den Coach Gunter Ehe zur Seite gestellt bekommen. Er hat mich damals zeitnah auf die Rid Stiftung aufmerksam gemacht

Wie ist dann Ihr Start gelungen?

Christian Bier:
Der Anmeldeschluss bei der Rid Stiftung war zwar schon vorbei, aber aufgrund meiner außergewöhnlichen Situation und der Umstände habe ich doch noch einen Platz in dem zweijährigen, berufsbegleitenden Qualifizierungsprogramm „Unternehmensführung im Handel“ bekommen. Von den ersten sechs Wochen meiner neuen „Dienstzeit als Einzelhändler“ habe ich fünf bei der Rid Stiftung verbracht, die mich ohne bürokratische Hemmnisse aufgenommen hat. Ich habe mich von Anfang an unterstützt und gut aufgenommen gefühlt, und damit auch sehr wohl mit meiner Entscheidung, diese Lebensherausforderung anzunehmen. In dieser Anfangszeit hat mein Schwiegervater bei Sport Eisert die Stellung gehalten.


Aus heutiger Sicht – Was haben Sie mitgenommen?

Christian Bier:
Das Förderprogramm hat mich in der völlig neuen beruflichen Situation zunächst einmal stabilisiert und mir sehr schnell komprimiert das erforderliche Know-how vermittelt. Da ist schnell Sicherheit bei mir entstanden, die mir eine große Hilfe war. Zudem hat mir der Austausch mit Kollegen, anderen Einzelhändlern, extrem geholfen. Dadurch, dass man nicht nur Know-how vermittelt bekommen hat, sondern als Person über den ganzen Zeitraum auch gecoacht wurde – sprich dabei unterstützt wurde, die eigene Rolle als Unternehmer zu finden – hat das Programm für mich die entscheidende Unterstützung gebracht.

 

Sie haben danach auch an weiteren Förderangeboten der Rid Stiftung teilgenommen. Wie haben sich die vermittelten Inhalte insgesamt auf Ihre Tätigkeit im Unternehmen ausgewirkt?

Christian Bier:
Bei der Rid Stiftung erhält man zusätzlich zu den Inhalten einen Metablick auf seine eigene Arbeit. Die Art, wie ich mich als Geschäftsführer sehe, hat sich dadurch verändert. Ich sehe mich nicht als Chef, sondern als Trainer. Ich bin derjenige, der den anderen den Rücken freihält. Den kooperativen Führungsstil habe ich bei der Rid Stiftung ausführlich kennengelernt – dies war ein Meilenstein für mich, auch in meiner persönlichen Entwicklung.

Das Thema Personalgespräche war für mich ebenfalls völlig neu. Die Dozentin Frau Prof. Schinnenburg hat mir sehr geholfen, kritische Gespräche gezielt zu trainieren. Davon profitiere ich noch heute.

Der betriebswirtschaftliche Teil von Herrn Prof. Gutknecht z. B. hat mir geholfen, schnell die wirtschaftlichen Kennzahlen unseres Unternehmens zu verstehen und einzuordnen. Diese ganz konkreten Hilfestellungen durch verschiedene Tools in den Modulen waren sehr gut für mich, insbesondere, wenn man meinen schnellen Jobwechsel vom Lehrer zum Einzelhändler betrachtet.

Haben Sie nach dieser 2-jährigen Qualifizierung weitere Seminare der Rid Stiftung besucht? Und was hat eigentlich Ihre Frau dazu gesagt, als Sie damals beschlossen haben, nicht mehr Lehrer zu sein, sondern das Einzelhandelsgeschäft Ihres Schwagers zu übernehmen?

Christian Bier:
Ich habe auch gemeinsam mit meiner Frau an einem Seminar teilgenommen. Meine Frau war ja damals schon, als mein Schwager gestorben ist, in der Firma tätig. Bei uns ist es seither so, dass wir als Ehepaar das Unternehmen leiten. Dadurch gibt es viele zusätzliche Herausforderungen. In dem Seminar „Gemischtes Doppel“ haben wir gelernt, wie man bei der Arbeit miteinander umgeht, und wir haben gelernt, den anderen als Person zu verstehen. Außerdem haben wir Strategien an die Hand bekommen, wie man die Arbeit aus dem Privatleben raushält bzw. wie man unterschiedliche Themenfelder kanalisieren kann.

 

 

Wo sehen Sie persönlich die aktuellen Herausforderungen, Risiken und vor allem Chancen im Einzelhandel?

Christian Bier:
Die große Herausforderung ist es, die Attraktivität des stationären Einzelhandels aus der Sicht der eigenen Kunden zu erkennen und das Zusammenspiel von Online und Offline klug zu organisieren. Wir sehen das an unserem eigenen Online-Shop, der – übrigens auch durch die Förderung der Rid Stiftung – durch die Decke geht. Online geht es vorwärts und im Geschäft nimmt die Frequenz sukzessive ab. Wir müssen den stationären Handel für die Zukunft sicher machen, ohne dabei den Kunden zu verlieren. Um Omni-Channel optimal umzusetzen, muss man vor allem die Kosten im Blick behalten. Da sind wir gerade mit unterschiedlichen Tools dran und gehen damit bis zu einem gewissen Grad auch ins Ungewisse. Ich bin aber sehr positiv eingestellt, da wir den Multi-Channel-Gedanken noch früh genug aufgegriffen haben.


Welche Rolle spielt der Online-Shop in Ihrer Strategie?

Christian Bier:
Wir nutzen unseren Online-Shop als Schaufenster und als verlängerte Ladentheke. Wir erreichen dadurch Kunden und Kundinnen nicht nur aus Erlangen und Umgebung, sondern aus ganz Deutschland und auch aus ganz Europa. Wir haben dazu ein eigenes internes E-Commerce-Team.


Thema Zukunft und Ausbildung – Haben Sie Probleme, gute Auszubildende zu finden?

Christian Bier:
Wir haben einen großen Vorteil gegenüber anderen Einzelhandelsbereichen: Die Sportbranche gilt als "sexy". Wir tun aber auch viel dafür, um als Arbeitgeber insgesamt wirklich attraktiv zu sein. Zum Beispiel haben wir einige Kooperationen mit unseren Fachoberschulen hier in unserer Region. Und wir gehen häufig auf Messen und präsentieren uns dort als moderner Arbeitgeber.


Würden Sie sich als klassisches Intersport-Fachgeschäft sehen?

Christian Bier:
Wir sind kein typischer Intersportler, denn wir haben Marken und Größen, die man in anderen Läden nicht findet. Wir müssen uns mit unserem Sortiment deutlich abheben, denn wir haben hier in der Nähe Herzogenaurach mit großen Outlets und Markenflächen von Puma und Adidas.

Haben Sie noch weitere Maßnahmen umgesetzt, um das stationäre Geschäft attraktiv für Ihre Kunden zu machen?

Christian Bier:
Wir haben zum Beispiel einen Coffee-Shop bei uns integriert, um höhere Frequenzen zu schaffen. Außerdem planen wir für nächstes Jahr kleine Abendveranstaltungen mit Experten, die auf 20 Personen beschränkt sind, und pflegen so den intensiven Kontakt zu unseren Stammkunden, aber auch zu Neukunden.


Woher bekommen Sie Ihre Impulse?

Christian Bier:
Zum einen schauen wir uns natürlich die digitale Welt selber sehr genau an und informieren uns gut, zum anderen bleiben wir auch mit den immer aktuellen Förderangeboten der Rid Stiftung am Ball. Und auch der Rid Zukunftskongress bietet immer wieder innovative und auch praktikable Ansätze. Einer unserer Mitarbeiter hat z. B. auch eine Ausbildung zum E-Commerce-Manager bei der Stiftung gemacht und leitet mittlerweile unseren Online-Shop – und dies sehr erfolgreich.

 

 

Wenn Sie in die Zukunft blicken – Was sind da für Sie relevante Themen?

Christian Bier:
In unserem Bereich sehe ich ein großes Potential in den 3D-Druckern. Denken Sie nur an das Thema Individualität, Maßkonfektionen und so weiter. Auch die Verkaufsflächen werden zukünftig kleiner und flexibler in der Nutzung werden müssen. Der Verkäufer 2.0 muss dafür in Zukunft andere Kompetenzen haben. Insgesamt wird auch die Bedeutung des Fachverkäufers weiter zunehmen, da bin ich mir ganz sicher. Er wird immer mehr zum Berater und Partner mit einem sehr hohen Maß an Glaubwürdigkeit gegenüber den Kunden.

 

Wie nehmen Sie aktuell die Rid Stiftung wahr?

Christian Bier:
Wenn ich an die Rid Stiftung denke, bin ich zuerst einmal sehr dankbar. Sie hat mich durch die Seminare und Coachings sehr schnell auf den Weg gebracht und mir so viel Know-how mitgegeben. Das hätte ich woanders schwerlich schaffen können. Ich sehe die Rid Stiftung als sehr fortschrittlich denkend, die Zeichen der Zeit erkennend und innovative neue Wege gehend. Ich bin sehr begeistert und versuche das auch immer weiterzugeben.

 

Wo sehen Sie Potentiale bei der Rid Stiftung?

Christian Bier:
Ein Problem hat die Rid Stiftung: Viele denken, was nichts kostet, taugt nichts. Dem ist aber absolut nicht so. Damit hat die Stiftung bis zu einem gewissen Grad zu kämpfen, wenn jemand noch nichts von der Rid Stiftung gehört hat. Dem kann man sicherlich mit einem steigenden Bekanntheitsgrad und der entsprechenden Kommunikation entgegentreten.

 

Haben Sie noch inhaltliche Wünsche?

Christian Bier:
Wenn Sie mich so fragen: gerne ein Follow-up-Seminar für den E-Commerce-Manager und ein Azubi-Konzept mit Schwerpunkt Persönlichkeitsentwicklung.

Interview: Malte Perlitz
Fotos: Jan Schmiedel