Episode 17 – Gartencenter Kiefl:
Mit einem Fundament aus Mut zum Publikumsmagnet
November 2024 – Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 17. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Dieses Mal im Fokus: Carola und Wolfgang Kiefl, die engagierten Inhaber des Gartencenters Kiefl in Gauting.
Investieren in die Zukunft – das ist ein herausforderndes Thema für kleinere, regionale Handelsunternehmen. Oft steht das Sicherheitsdenken im Weg. Oder man glaubt, die Zeit und Energie nicht aufbringen zu können. Häufig fehlt auch das Know-how, wie man Veränderungsprojekte anpackt. Warum es sich dennoch lohnt und wie wertvoll Unterstützung von außen ist, zeigt die Erfolgsgeschichte des Gartencenters Kiefl aus Gauting bei München. Carola und Wolfgang Kiefl haben ihr Familienunternehmen immer wieder verändert, doch 2010 trafen sie eine besonders mutige Entscheidung: Das alte Gartencenter sollte einem kompletten Neubau weichen. Entschlossenheit, visionäre Ideen und der Rückhalt der Mitarbeiter*innen wogen am Ende mehr als hohe Investitionskosten und anstrengende Behördengänge. Bei der strategischen Weichenstellung geholfen hat den Kiefls das Coachingprogramm „Zukunftsstrategien im stationären Handel“ der Rid Stiftung, durchgeführt von der BBE Handelsberatung. Im Jahr 2024 beschäftigt das Unternehmen Kiefl 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bietet eines der größten Pflanzensortimente im Münchner Raum und Umland an. Ein Publikumsmagnet ist das 500 Quadratmeter große Café-Restaurant im Neubau – es ist dank der hohen Aufenthaltsqualität jedes Wochenende ausgebucht.
Seit über 35 Jahren betreiben Carola und Wolfgang Kiefl ihr Gartencenter in Buchendorf, einem Ortsteil von Gauting, etwa vier Kilometer vom südwestlichen Stadtrand Münchens entfernt. Das Unternehmen umfasst mehrere Geschäftsbereiche: den Produktionsgartenbau, das Gartencenter, den Gartenservice, die Gastronomie samt Verkauf von Lebensmitteln und Feinkost sowie die Kiefl Friedhofsgärtnerei am Lorettoplatz in München.
Carola Kiefl ist Floristenmeisterin, Wolfgang ist Floristen- und Gärtnermeister. Die beiden kennen sich schon seit ihrer Jugend und sind fast genauso lange ein Paar. Beide stammen sie aus Gärtnereifamilien: Wolfgang gehen drei Generationen voraus, Carolas Eltern gründeten in München-Giesing eine Gärtnerei, die heute ihr Bruder führt. Das Ehepaar wohnt auf dem Gelände in Buchendorf. Ihre Söhne Valentin und Jacob sind hier aufgewachsen und haben mit dem Projekt „Urban Gardeners“ unlängst eine eigene Erfolgsgeschichte geschrieben.
Im Gespräch merkt man, wie stolz Wolfgang Kiefl auf das ist, was sie gemeinsam geschaffen haben. „Wir sind 24 Stunden am Tag Unternehmer“, sagt er. „Man hört jeden LKW, der auf unserem Gelände ablädt. Ich nehme mir hier keinen Tag frei.“ Während er und seine Frau die Meilensteine ihrer Unternehmensgeschichte Revue passieren lassen, wundern sie sich oft, wie sie das alles geschafft haben. Aber sie lachen dabei gemeinsam sehr viel. „Mein Mann ist der Kopf im Unternehmen, ich bin auf der Fläche unterwegs und kümmere mich um die Floristik und die Boutique“, beschreibt Carola Kiefl die Rollenverteilung. „Mutige Entscheidungen“, betont sie „treffen wir jedoch immer im Team.“
Leitgedanke: Die Kund*innen stehen immer im Mittelpunkt
Das Gartencenter entsteht aus dem Produktionsbetrieb, den die Eltern von Wolfgang Kiefl für ihre Münchner Friedhofsgärtnerei auf den ehemals landwirtschaftlich genutzten Flächen in Buchendorf errichtet haben. Obwohl Wolfgang und seine Frau auf die Erfahrungen ihrer Vorgängergenerationen zurückgreifen konnten, sehen sie ihre Situation heute grundlegend anders. „Man muss immer schauen, dass man in seinem Wirkungskreis auf dem Laufenden bleibt, sich abhebt und an die Zukunft denkt“, sagt Wolfgang Kiefl. Was er sich beim Vater abgeschaut hat: Er hatte keine Scheu, Dinge anders anzugehen und Neues auszuprobieren.
Rudolf Kiefl war Kfz-Meister und hatte 1972 als Quereinsteiger in die Friedhofsgärtnerei Verantwortung übernommen. Damals galt bei den Gärtnern: Was man im Laden nicht verkauft, das pflanzt man auf die Gräber. Seinen Vater hatte das nicht überzeugt, und er brach mit dieser Tradition, berichtet Wolfgang: „Wenn ein Kunde ein rotes Auto bestellt, liefere ich ihm ja auch kein blaues, hat er immer gesagt. Wenn ich mich um den Friedhof kümmere, kommt nur das Beste auf die Gräber. Und wenn jemand gelbe Blumen haben will, bekommt er sie auch.“ Diese Kund*innenorientierung hat sich auch bei Sohn und Schwiegertochter festgesetzt.
Erfolgsfaktor: Langjährige Mitarbeiter*innen
Heutzutage ist es vermeintlich out, lange in einem Unternehmen zu arbeiten. Die Beständigkeit erscheint kritikwürdig, man hat den Lebenslauf „nicht optimiert“. Doch bei genauerem Hinsehen entpuppen sich die langjährigen Mitarbeiter*innen oft als Säulen eines Unternehmens und ein langjähriger Arbeitgeber als verlässliche Karriereleiter. Für das Gartencenter Kiefl sind Dietmar Freihalter und Klaus Gruber solche Säulen. Die beiden langjährigen Mitarbeiter übernehmen Verantwortung, entwickeln Ideen und gehen optimistisch den nächsten Schritt mit. In die gleiche Reihe gehört die Konditorin Nicole Pech, die mit ihrem Chef Wolfgang Kiefl an einem Sonntag 100 Eier aufgeschlagen und dem Unternehmen jede Menge Glück gebracht hat. Doch dazu später mehr.
Permanent etwas Neues bieten
Im Laufe der Zeit vergrößern die Kiefls ihr Gelände und reißen die alten Gewächshäuser ab. Vor allem erweitern sie ihr Sortiment um Schnittblumen, Keramik und Accessoires. Carola Kiefl treibt den Bereich Floristik nun stärker voran und bietet, ungewöhnlich für eine Gärtnerei, Blumensträuße, Gestecke und andere floristische Produkte auch auf Bestellung an. 2003 wird eine neue Verkaufshalle gebaut, die Leitung des Gartencenters wird an den Mitarbeiter Klaus Gruber übertragen. Ein Glücksgriff. Gruber stellt europaweit die besten Lieferanten für das Pflanzensortiment zusammen. Bis heute ist er eine tragende Säule im Kiefl-Kosmos.
Auf die Idee, im Gartencenter ein Café zu eröffnen, kam der langjährige Mitarbeiter Dietmar Freihalter. Erste Erfahrung hatte man schon gesammelt: Bei den Adventsausstellungen wurden regelmäßig Kuchen, Weihnachtsplätzchen und Bratäpfel zum Verkauf angeboten – und dieses Nebengeschäft boomte! Die große Nachfrage gibt den Anstoß für das Café, natürlich mit einem besonderen Konzept. „Wir haben uns entschlossen, die Kuchen selbst zu backen und das Café mit Bedienung am Tisch zu führen“, erinnert sich Wolfgang Kiefl an die konzeptionellen Vorüberlegungen. Denn wie in jeder anderen Abteilung auch, möchten sich die Kiefls durch beste Qualität und eine persönliche Note von der Konkurrenz abheben.
Hier kommt Nicole Pech ins Spiel. Neu in München, bewirbt sie sich bei Wolfgang Kiefl um eine Stelle im Verkauf. Im Gespräch kommt ihre Erfahrung als Konditorin und Bäckerin zur Sprache. Daraufhin lädt Kiefl sie zum Probebacken ein – einen ganzen Sonntag lang, selbstverständlich ohne Backmischungen. Gemeinsam schlagen sie 100 Eier auf und backen hausgemachte Kuchen. Der Einstieg in die Gastronomie ist geschafft, und das Gartencenter Kiefl gewinnt mit dem Café „Vier Jahreszeiten“ weiter an Attraktivität. Nicole Pech entwickelt bis heute alle Rezepte für die Feinkostprodukte der Marke „Kiefl’s Manufaktur“.
Phase der Umorientierung: der Neubau
2011 bewirbt sich Wolfgang Kiefl für das zweijährige Coachingprogramm der Rid-Stiftung: „Zukunftsstrategien im stationären Handel“, durchgeführt von der BBE Handelsberatung. Im Rahmen des Förderprogramms werden gemeinsam mit anderen Unternehmen langfristige und passgenaue Strategien entwickelt. Die Ausgangsfrage der Kiefls lautete: Sollen wir unser Unternehmen noch einmal deutlich größer und professioneller aufstellen? Joachim Stumpf, damals Geschäftsführer der BBE-Handelsberatung, erinnert sich: „Das Ehepaar Kiefl verfolgte die Idee, das Unternehmen über ihre Lebenszeit hinaus zu planen, obwohl ihre Söhne damals noch recht klein waren. Sie wollten das Gartencenter als Erlebnisort mit entsprechender Aufenthaltsqualität, passenden Sortimenten und einem hohen Anspruch an den Ladenbau neu positionieren und auch jüngere Zielgruppen gezielter ansprechen“. Und das ist gelungen.
Problematik: Handelsflächen an der Peripherie
Die Kiefls entscheiden sich für einen massiven Eingriff in die alte Bausubstanz und die Flächen. Die Genehmigung ist nur über ein besonderes raumordnerisches Verfahren – ein Zielabweichungsverfahren – möglich, denn das Gartencenter liegt nicht im Ortsinneren von Gauting, sondern im Außenbereich. Ein Gutachten wird in Auftrag gegeben, das nachweist, dass der Ortskern der Gemeinde Gauting als zentraler Versorgungsbereich durch den Neubau der Kiefls und ihre Sortimente nicht gefährdet wird. Die Kiefls, die BBE und die beauftragten Anwälte führen viele Gespräche mit Vertretern der Gemeinde. Immer wieder müssen Unterlagen nachgereicht werden, der Kampf mit der Bürokratie zieht sich mehrere Jahre hin. Dann endlich, im Jahr 2017 beginnt der Neubau. Er soll bei laufendem Betrieb realisiert werden – und nach einem Jahr ist es dann soweit: Im März 2018 eröffnen die Kiefls ihr neues Gartencenter auf 4.500 Quadratmetern. Der Eingangsbereich, „die Scheune", ist 13 Meter hoch. An Fläche zugelegt haben auch das neue Café-Restaurant „Kiefls“ und die Gewächshäuser.
Das Kiefl-Rundumpaket
Die Investition zeigt schnell Wirkung. Aus dem Einzugsgebiet mit hoher Kaufkraft strömen noch mehr jüngere Kundinnen und Kunden zu den Kiefls. Sie schätzen die hohe Qualität des Sortiments, ob Pflanzen, Pflanzgefäße oder Gartenbedarf. Aber auch die Gastronomie und die Feinkost aus eigener Herstellung sowie das frische Angebot an Obst und Gemüse finden großen Anklang.
Carola Kiefl und ihr Team lassen die Flächen jeden Monat in neuem Gewand erblühen. Auch mit ihrem wöchentlichen Youtube-Kanal „Kiefl’s Kreativtisch“ begeistert die Inhaberin Blumenliebhaber*innen – der Kanal zählt heute 4500 Abonnent*innen, manche Videos erreichen mehr als 20.000 Aufrufe. Auch im Marketing schlägt das Unternehmen neue Wege ein. Die Kiefls nutzen nicht länger die Angebote der Marketingkooperation „grün erleben“, sondern bauen unter der Leitung ihrer Söhne eine eigene Marketingabteilung auf. Sie stellen Mitarbeiterinnen ein, die die Präsenz der Kiefls auf den Social-Media-Kanälen Instagram und Youtube ausbauen. Die Gastronomie wird ebenfalls mit Spezialisten verstärkt, darunter Konditor*innen und Eismacher aus Italien, die hauseigene Eissorten entwickeln.
Der Übergabeprozess an die nächste Generation läuft
Während des Umbaus haben die Kiefls eine wichtige Erfahrung gemacht: Als sie die Verkaufsfläche für einige Monate verkleinern und die Lebensmittel und Feinkost als Nebensortimente weglassen müssen, verlieren sie kurzfristig viele Kund*innen. Bei Nachfragen stellen sie fest: Das Rundum-Paket hat gefehlt. „Unsere Kunden kommen auch wegen der Events wie Herbst- und Weihnachtsmarkt, der Ladies Night oder der Gastronomie. Unsere Pflanzen schätzen sie wie selbstverständlich.“ Auch wenn es rund läuft – Stillstand wird es nicht geben im Gartencenter Kiefl: „Wenn wir sagen, jetzt ist alles gut und wir ruhen uns aus“, sagt Wolfgang Kiefl, „dann funktioniert das nicht“. Die Söhne Jakob und Valentin sind bereits als tragende Säulen mit an Bord. Damit stehen weitere Meilensteine in der Entwicklung der Kiefls bevor. So werden sie unter dem Label „Urban Gardeners“ das Thema Onlineshop und Beratung mit Unterstützung von künstlicher Intelligenz im Gartencenter in Gauting angehen. Mit dem Future Retail Store im Münchner Rathaus, Episode 16 der Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel, haben Jakob und Valentin ein beeindruckendes Kapitel ihrer eigenen Geschichte geschrieben. Und auch die Erfolgsgeschichte des Gartencenters Kiefl ist längst noch nicht am Ziel.
Text: Rid Stiftung / Anita Güpping