Zweite Station der Retail Tour "Auf Zukunft eingerichtet": durch die Münchner Innenstadt.
Durch die Theatinerstraße führt die Retail Tour „Auf Zukunft eingerichtet!“, vorbei an der Rid Stiftung und am stiftungseigenen Unternehmen BETTENRID. Gemeinsam erkundet man unterschiedliche Handelskonzepte und lernt die Unternehmerinnen und Unternehmer und deren Erfolgsgeschichten persönlich kennen.
Unverwechselbarkeit im Verbund mit wahrer Sinnesfreude: Das ist das Gütesiegel der Kleider, Stoffe, Kissen, Vasen, Steinmöbel und vieler anderer Produkte der Interiordesignerin Stephanie Thatenhorst. Startpunkt des Münchner Teils der Retail Tour „Auf Zukunft eingerichtet!“ war ihr Showroom in der Theresienstraße. Er ist wie ein kleines Appartement gestaltet und hieß die Teilnehmer*innen in der ersten der vier Stationen in der Landeshauptstadt willkommen.
Von Moderatorin Anita Güpping nach ihrer Motivation befragt, danach, was sie antreibt, seit das Studio 2019 an den Start ging, spricht Stephanie Thatenhorst von einem „Elefantenschritt“: Es sei immer ihr Bedürfnis gewesen, sich ganz klar vom „Prinzip Masse“ abzugrenzen, eine eigene kleine, aber feine Kreation zu schaffen, eine, die in der Welt Einmaligkeit beanspruchen darf. „Ich habe häufig festgestellt, dass ich den Mainstream nicht bedienen mag, dass es mir einfach auf Individualität ankommt.
Ich habe mir meine eigene Handschrift angeeignet und bin froh, dass ich dieser Linie treu geblieben bin.“ Dabei entscheide sie immer aus dem Bauch raus, Systematik, Analytik ergänzt sie mit eigenem Stil und zwar ganz konsequent bis in ihren Online-Shop und ihren ganzen Online-Auftritt. Wie schafft sie es, diesen Geist an ihr 20-köpfiges Team weiterzugeben, möchte eine Teilnehmerin wissen. „Sie sind ja der kreative Kopf.“ Die sofort einleuchtende Antwort: „Alle schätzen meine Handschrift und haben sie adaptiert. Sonst funktioniert es nicht.“
Eine eigene Handschrift: Darum dreht sich auch alles in der Minotti-Welt, einem italienischen Möbelhersteller, dessen Kernelemente dunkles Holz, Wände aus Calcatta-Marmor und graue Zementböden sind. Der 500 Quadratmeter große Showroom an der Brienner Straße ist damit bestückt und hat seit seiner Eröffnung im Jahr 2017 eine Stammkundschaft aufgebaut.
Für Stefan Rollwagen und seine Ehefrau Petra Egetemeier, beide Inhaber von „Egetemeier Wohnkultur“, war das zusätzliche Anmieten der unerwartet frei gewordenen Ladenfläche nach eigenen Worten „ein Glücksfall“: „Als ich den Raum sah, wusste ich sofort: Das ist der perfekte Laden für Minotti.“ Er ist auch eine ideale Ergänzung des Egetemeier-Stammhauses an der Nymphenburger Straße. Einzigartigkeit, Sichtbarkeit, Gegenständlichkeit: Wie lassen sich diese Qualitätsmerkmale eigentlich im Netz vermitteln, welche Rolle spielen bei „Egetemeier Wohnkultur“ E-Commerce-Strategien, fragt eine Teilnehmerin der Retail Tour.
Die Kunden und Kundinnen haben schnell den Charme und das ganzheitliche Konzept des Hauses an der Rosenheimer Straße zu schätzen gelernt: „Wir können nicht klagen, wir haben mittlerweile eine Stammkundschaft und auch viele, die einfach nur so vorbeischauen.“ Womit man allerdings – wie zahlreiche andere Branchen auch – zu kämpfen habe, sei der Fachkräftemangel. Trotzdem sei das werkhaus stetig gewachsen. „Wahrscheinlich auch deswegen, weil unsere Kunden und Kundinnen sehen, wie wir alle an einem Strang ziehen und uns gegenseitig motivieren.“
Mit der Retail Tour „Auf Zukunft eingerichtet!“ setzt die Rid Stiftung auf den persönlichen Kontakt der Händler*innen untereinander und auf die Bedeutung des unmittelbaren Erlebens im Einzelhandel: Weder die Produkte, noch die Geschäftsmodelle, noch die Händler*innen selbst blieben abstrakt, sie waren unmittelbar im Scheinwerferlicht auf ihrer eigenen Bühne zu erleben und standen für den Austausch unter Kolleg*innen zur Verfügung. Wie wichtig das richtige Licht für die wohnliche Gestaltung auch der eigenen vier Wände ist, erfuhren die Teilnehmer*innen, die aus allen Branchen des Handels kamen, von Sabine Weber.
„Eine gute Beleuchtung ist unerlässlich, ohne sie geht es nicht. Vielen ist das nicht bewusst“, sagte die Mitarbeiterin des Gewerkes „Licht im werkhaus“. Moderne Technologie sei in der Lage, den unterschiedlichsten Stellen eines Raumes, einen ganz eigenen Charakter zu geben, sie so auszuleuchten, dass Wohlfühl-Nischen entstehen, quasi ein eigener Raum inmitten eines Raumes, eine Art Mikrokosmos. Das Ergebnis: pure Gemütlichkeit. Und auch ein ganz simpler Nutzeffekt, denn dunkle Ecken können beispielsweise sehr gewinnen durch eine gedämpfte, farbige Note. Und dort wo gearbeitet oder gelesen wird, muss natürlich ein heller Strahler sein. Wer sein Haus oder seine Wohnung danach ausrichtet, steigert spürbar seine eigene Lebensqualität. Und das mit einem ganz einfachen Medium, einem, das es seit Anbeginn der Welt gibt, mit Licht.
In puncto Beratung und Verkauf eher weniger, sagt Rollwagen, dafür umso mehr in der administrativen Abwicklung. Im Gespräch mit Moderator Dr. Oliver Herwig wird deutlich, dass die Exklusivität der Möbel und Einrichtungsgegenstände einen lebendigen Austausch vor Ort bedingen, man müsse mit den Kunden und Kundinnen auf Tuchfühlung sein, sich ihre Wünsche anhören und verstehen, intensive Gespräche führen. „Das geht digital nicht.“ Es gebe Menschen, die komplett in die Minotti-Welt eintauchen, „die in ihr leben wollen“. Dem müsse man durch größtmögliche Präsenz Rechnung tragen.
Auf dem Programm der Retail Tour „Auf Zukunft eingerichtet!“ durch die Münchner Innenstadt stand als nächstes der Concept-Store „Sois Blessed“ (eine französisch-englische Wortschöpfung mit der Bedeutung „Sei gesegnet“) von Ruth Gombert. Für die Geschäftsinhaberin lautet das Motto „zurückgeben“, wie sie gegenüber Moderator Prof. Dr. Klaus Gutknecht und den Teilnehmer*innen der Retail Tour ausführt. Die kommen aus dem Staunen angesichts der vielen Unikate in dem Geschäft an der Pranner Straße – darunter Vintage Möbel, handbemalte Karten, handgestrickte Kissen, farbenfrohe Kleider, ausgefallene Kochbücher und vieles mehr – gar nicht mehr heraus. Dieses Möbelgeschäft ist nämlich auch ein Modegeschäft und es ist auch eine DayBar und es ist auch ein Blumenladen. Ihren Trendshop könnte man auch als eine Art Gemischtwarenladen auf höchstem Niveau bezeichnen – und als sichtbaren Ausdruck eines hohen ethischen Anspruchs, eben das, was die Unternehmerin mit „zurückgeben“ meint. Bei ihr werden Werte gefeiert: Die Grußkarten tragen die Zeichnungen der Kinder aus den „Hope Schools“ in Südafrika, die Kissen sind in Zusammenarbeit mit einer Klinik für psychisch erkrankte Menschen entstanden. Zurückgeben wolle sie damit die Wertschätzung, wie sie betonte: „Ich möchte zeigen: Du bist es wert, Du bist wundervoll.“ Immer wenn sie nach Südafrika fahre, um die Kinder zu besuchen, und ihnen die bemalten Stoffe zeige, sei sie zutiefst gerührt von den Reaktionen. Dieser Concept-Store ist ein Ort mit Ausstrahlung, ein Ort für Unikate.
Es dürfte wenige Münchner*innen geben, die das Einrichtungshaus „Böhmler“ im Tal nicht kennen. Dort fand 2015 ein Generationenwechsel statt: Matthias Böhmler, Ururenkel des Gründers Johann Georg Böhmler, stieg in das Geschäft ein. Für den jungen Unternehmer und kreativen Kopf des Hauses war es schnell klar, dass die Digitalisierung auf neue Füße gestellt werden müsse, wie er erläuterte: „Das kann in unserer Branche die Beratung erheblich kundenfreundlicher machen.“ Allerdings zieht auch er eine klare Grenze zum Internet: „Jeder, der bei uns ein Sofa kaufen will, möchte natürlich auch darauf sitzen, jeder möchte den Stoff anfassen“ - und das kann man hier auf 1500 m² wirklich nach Herzenslust. Ziel der Digitalisierung muss es sein, Abläufe effizienter und komfortabler zu gestalten, um dadurch auch den Service zu erhöhen. „In unserem Unternehmen gibt es Bereiche, die komplett handwerklich ablaufen, wie zum Beispiel die Fußbodenverlegung.“ Aber auch eine Videoberatung gibt es als add-on für die Kundenbetreuung bei Böhmler. Dass das Einrichtungshaus Böhmler mit seinen 220 Beschäftigten einen so hohen Bekanntheitsgrad hat, sei nicht nur ein Segen, sondern auch problematisch – suggeriert dies doch, dass es eine Art eingeschworene Gemeinschaft gibt, die dort ihre Möbel und Böden kauft, so dass neue Kunden nicht ausreichend angezogen werden. Böhmler hat zudem auch gewerblich Großkunden und ein Objektgeschäft. „Die Kunst ist, diejenigen, die wir noch nicht als direkte Kunden und Kundinnen auf uns aufmerksam machen konnten, für einen Besuch in unserem Haus zu gewinnen“, sagt Matthias Böhmler mit Blick in die Zukunft.