Schlafen ist doch keine Kunst - page 8-9

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Aufgeben ist für
Hedwig Rid ein
Fremdwort.Vier Tage
nachdem Fliegerbom-
ben am 4. Januar 1945
ihr Geschäft in der
Augustenstraße 74
zerstören, eröffnet sie
zwei Häuser weiter
ein provisorisches
Ladengeschäft.
DAUNENKÖNIGIN
Ohne sie kein Bettenrid: Hedwig Rid
(1907 – 1986). Die resolute Unterneh-
merin lässt sich weder von derWirt-
schaftskrise nach 1929 noch durch
die Ausbombung im ZweitenWelt-
krieg aufhalten. In der Nachkriegszeit
fällt sie Grundsatzentscheidungen,
die bis heute nachwirken: 1949 führt
sie ihr Unternehmen in das Münchner
Stadtzentrum. 1952 erwirbt sie die
Neuhauser Straße 50 (heute 12) als
erste unternehmenseigene Immo­
bilie, in der sie ein Jahr später eine
erste Filiale eröffnet. Ebenfalls 1953
gibt Hedwig Rid dem Unternehmen
mit „Betten-Rid“ seinen Namen. Sie
erwirbt sich einen Ruf als willensstarke
wie kompetente Unternehmerin,
deren Mut die Grundlage für den
Erfolg von Bettenrid bildet. IhrWeg
ist außergewöhnlich in einer Gesell-
schaft, in der Frauen erst 1919 das
Wahlrecht erfolgreich erkämpft
hatten, verheiratete Frauen erst nach
1962 ohne Zustimmung ihres Ehe-
mannes ein eigenes Bankkonto eröff-
nen durften und bis heute seltener
eine Firma gründen als Männer.
Hedwig steigt 1923 nach Abschluss
der Kaufmännischen Fortbildungs-
schule in das Geschäft ihrer Mutter
ein, das sie 1929 übernimmt. Gerei-
nigteWare und Bestellungen liefert
sie mit dem Fahrrad aus. In den
1930er-Jahren tritt die Bettfedern-
reinigung gegenüber demVerkauf von
Betten und Zubehör zunehmend in
den Hintergrund. In wirtschaftlichen
Notsituationen weiß sie sich zu helfen,
verkauft ab 1932 zusätzlich Zeitungen
und Zeitschriften. 1936 bezieht sie in
der Augustenstraße größere Geschäfts­
räume. AmTürschild steht: „Betten-
spezialgeschäft und -reinigung H. Rid“.
Das Geschäft läuft gut und sie erwirbt
einen ersten Firmenwagen, einen
DKW, den sie selbst steuert. Gegen-
über den nationalsozialistischen
Machthabern bleibt sie auf Distanz.
Die Aufnahme ihres Sohnes Günther
in die Hitler-Jugend verweigert sie
und stellt die Beitragszahlungen an
die NS-Frauenschaft ein, der sie seit
1938 angehört.
Neuanfang nach Bombennacht
Am 4. Januar 1945 zerstören Bomben
ihr Geschäft undWarenlager in der
Augustenstraße 74. Über die darauf-
folgenden Tage notiert einWegbeglei-
ter Mitte der 1950er-Jahre: „Normaler­
weise könnte man damit die Chronik
abschließen. Aber wir haben es hier
mit Frau Hedwig Rid zu tun.“ Und
tatsächlich: Schon vier Tage später
eröffnet sie ein provisorisches
Geschäft in den Räumen eines be-
nachbarten Unternehmers, der von
Bombenschäden verschont wurde.
License Nr. EH 1249
Nach Kriegsende erhält sie die Ge-
nehmigung der US-Militärregierung,
ihr Geschäft weiterzuführen. Um
wirtschaftlich zu überleben, verkauft
sie in den Hungerjahren der Nach-
kriegszeit auch Glasknöpfe und Spiel-
zeug. Erst nach derWährungsreform
stabilisiert sich die wirtschaftliche
Lage ihres Unternehmens. Noch 1948
bezieht sie wieder eigene Geschäfts-
räume in der Augustenstraße.
„Betten-Rid“
Die Bundesrepublik ist gerade eine
Woche alt, als Hedwig Rid das Unter-
nehmen 1949 in die Sonnenstraße 11
und damit in das Münchner Stadt-
zentrum verlegt. Zu diesem Zeitpunkt
arbeiten für „Hedwig Rid Bettenspe-
zialgeschäft“ drei Personen: ein Lehr-
mädchen, sie selbst und ihr Sohn
Günther, der neben seinem Studium
unbezahlt im Familiengeschäft hilft.
Binnen weniger Jahre macht sie
„Betten-Rid“ zum bekanntesten
Bettenfachgeschäft Münchens. 1961
übergibt sie den Staffelstab end-
gültig an ihren Sohn Günther,
der viele Eigenschaften seiner
Mutter teilt.
mit
mut
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