Schlafen ist doch keine Kunst - page 14-15

PIONIERGEIST
Einfalls- und abwechslungsreiche
Werbung hat Bettenrid überregional
bekannt gemacht. Schon Hedwig Rid
ist sich der Chancen guter und inten-
siverWerbung bewusst. Als eines der
ersten Münchner Unternehmen
schaltet „Betten-Rid“ zu Beginn der
1950er-Jahre im BayerischenWerbe-
funk Radiospots – kaum dass Radio-
werbung vom Rundfunkrat 1949 ge-
nehmigt worden ist. Für Kino und
Fernsehen lässt Hedwig Rid gemein-
sammit Sohn GüntherWerbefilme
drehen. DieseWerbepräsenz in Tages­
zeitungen, Radio und Kino ist für ein
lokales Unternehmen höchst unge-
wöhnlich, berichtet ein Münchner
Passant im Jahr 1958. Vergleichbares
kenne man sonst nur von „großen
Zigaretten- und Tabakfabriken“.
Bettenrid wird in München und Um-
gebung zum Synonym für „Betten-
fachgeschäft“. DieWerbereime und
-figuren sind vor allem imMünchner
Stadtgebiet, aber auch im Umland
weit bekannt. Grund dafür ist ihre
Mischung aus bayerischem Humor,
lebensnahen Geschichten, nützli-
chen Informationen rund um die
Schlafausstattung und Experimen-
tierfreudigkeit.
Die richtige Hilfe
Das Fundament für den Erfolg der
Bettenrid-Werbung legt Hedwig Rid
zusammen mit dem Studio Bußkamp
& Koch. Peter Bußkamp gestaltet
Werbeanzeigen, aber auch aufwen­
digeWerbegeschenke wie eine illust-
rierte Fassung von Theodor Storms
Märchen „Der kleine Häwelmann“.
Zeittypisch verbindet Bußkamp
Zeichnungen mit Werbeversen. Die
Bettenrid-Verse sind auch in Form
lustiger Geschichten um den guten
und auch schlechten Schlaf im Rund-
funk zu hören. Charakteristisch ist
Bußkamps Anzeige in Form eines
weißen „r“ auf schwarzem Grund, die
Bettenrid bis in die 1960er-Jahre ein-
setzt. Die typische Kombination aus
künstlerischen Zeichnungen und wit-
zigen „Verserln“ wird ab den 1960ern
von zwei freien Mitarbeitern der Süd-
deutschen Zeitung weitergeführt: dem
Karikaturisten Ernst Hürlimann und
demTexter Helmut Seitz. Zahlreiche
Anzeigenserien undWerbefiguren
entstehen. Bis in die 1970er-Jahre
prägt Hürlimanns Strich die Anzeigen­
werbung. Für die Kino- und Fern­
sehspots lässt vor allem Dr. Günther
Rid immer wieder neue Formate
entwickeln – von Trickfilmen bis zu
Bettenrid-Nachrichten. Anfang der
1970er-Jahre erreicht Bettenrid mit
Cross-Media-Kampagnen wie
„Enorm in Form“ (1972) den Höhe-
punkt einerWerbestrategie, die Print-,
Radio- und Fernsehwerbung vereint.
Eine Frage des Stils
Eigentlich ist der von Bettenrid ver-
wendeteWerbereim ein verbreitetes
Stilmittel derWirtschaftswunder­
jahre. Es sind daher die lebensnahen
und humorvollen Geschichten und
„Betthupferl“, die Bettenrid in den
Augen der Bevölkerung auszeichnen
und abheben. Die Geschichten über
das Bett und den alltäglichen Kampf
umErholung werden inTageszeitungen
wie der Süddeutschen Zeitung oder
demMünchner Merkur, in Zeitschrif-
ten wie der Münchner Illustrierten,
im Bayerischen Rundfunk oder in
den Münchner Kinos erzählt. Die
langlebige Anzeigenserie „Informa­
tionen, die sich lohnen“ zeigt, dass
gesundheitliche Aufklärung schon
zu einem frühen Zeitpunkt Teil der
Bettenrid-Werbung ist.
Die Karikaturen, Zeichnungen und
späteren, deutlich simplerenWerbe-
comics wie „Professor Schnarchowsky“
werden bis Anfang der 1990er-Jahre
allmählich von zeitgemäßen, aber

ungebrochen witzigen Fotografien

abgelöst. Fett gesetzte Slogans, meis-
tensWortspiele wie „Wolltreffer!“

oder „Gehen Sie auf Schlummer
sicher“, beginnen die Anzeigen
optisch
 zu dominieren. Bayernweite
Berühmtheit erlangt der Slogan „Die

BETTEN-RIDs, die netten RIDs“.

Abwechslung und Einfallsreichtum

machen vor der Ladentüre nicht halt.
Mit zahlreichen Veranstaltungen,

Ausstellungen bekannter Künstler

oder Designern wie Luigi Colani, der
1982 für enormen Publikumsandrang
sorgt, ja selbst mit Modeschauen ist
man lokal und international am Puls
der Zeit. Freddy Mercury, Barbara
Valentin, Larry Hagman und viele
andere gehören zur Kundschaft.
Doch der Bettenrid-Stil, mit dem das
Unternehmen in den 1950er- und
1960er-Jahren groß geworden ist,
gerät nicht in Vergessenheit. 1988
beginnen mit der Reaktivierung des
„Münchners im Himmel“, der in den
1950er-Jahren schon für Bettenrid
geworben hatte, und 1989 mit Dieter
Hanitzsch’ „Familie Schlummermaier“
zwei viel beachtete Retro-Kampagnen.
2016 wird die Rolle von Karikaturen
im Rahmen der Kampagne zum 100.
Jubiläum gewürdigt: Ernst Hürlimanns
„Amandus Schlapp“ ist das Key Visual.
mit
mut
In der Jubiläumskampagne 2016 werden Pionier-
geist, Mut undWitz der Bettenrid-Werbung aufge-
griffen und gewürdigt. Titelbild einer Zeitungsbeilage,
die neben Jubiläumsangeboten auch über die Unter-
nehmensgeschichte informiert.
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