Episode 7 – Vuframe
August 2022 – Die Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel stellt die 7. von vielen bayerischen Erfolgsgeschichten vor. Wir führen unsere Serie „Erfolgsgeschichten aus dem bayerischen Einzelhandel" fort, mit dem Start-Up Vuframe aus Regensburg, das federführend im Bereich der Produktvisualisierung ist.
Vuframe – Mit einer App ins digitale Wohnzimmer
Vuframe hat den Innovationswettbewerb „Handel im Wandel“ 2018 der Günther Rid Stiftung gewonnen: Seitdem befindet sich das in Regensburg ansässige Start-Up-Unternehmen auf Erfolgskurs. Was die Jury überzeugt hat: Mit einer von Firmengründer Andreas Zeitler und seinen Mitarbeitern entwickelten Software ist es dem Einzelhandel möglich, seine Produkte auf diversen Online-Plattformen weltweit visuell zugänglich zu machen. Profiteur ist der Kunde: Ein Klick genügt – und im Idealfall ist das Wohnzimmer bereits virtuell eingerichtet.
Einer, der schon lange verinnerlicht hat, dass Zeit ein knappes Gut ist – und daraus ein erfolgreiches Geschäftsmodell entwickelt hat – ist Andreas Zeitler. Vor fünf Jahren hat der 33-Jährige das Start-Up „Vuframe“ in der oberpfälzischen Stadt aus der Taufe gehoben. „Produktvisualisierung“ oder englisch „Virtual“ oder „Augmented Reality“ – lautet der Schlüsselbegriff in den Räumen des Büros an der Hoppestraße. Dort tüftelt das 25-köpfige Team um den gebürtigen Oberpfälzer seit Jahren an hochspezialisierten digitalen Tools. Im Kern geht es immer darum, Verkaufsgüter des Einzelhandels oder Dienstleistungen online abzubilden – sie also vor einer möglichen Kaufentscheidung auf das Smartphone, das Tablet oder den heimischen PC zu bringen. Beispiel virtuelle Wohnungseinrichtung: „Im Idealfall genügt ein Klick – und schon sind die Wunschmöbel maßstabsgetreu ins Wohnzimmer projiziert“, schildert Zeitler.
Die Arbeit fiel auf fruchtbaren Boden: Mit der von Vuframe entwickelten Software ist es möglich, mittels einer App die eigenen vier Wände in Sekundenschnelle virtuell mit den Produkten auszustatten, die der Nutzer ins Visier genommen hat. So kann er sofort sehen, ob die Wahl stimmig ist oder nicht. Harmoniert die Couch, mit der geliebäugelt wird, überhaupt mit den Möbeln? Ist sie an der Stelle, wo sie einmal stehen soll, nicht zu tief oder zu breit? Wie ist das mit den Farben? Stoffe und Möbel: Passt das überhaupt stilistisch zusammen? Um das herauszufinden, bleiben dem Käufer zeitaufwändige Geschäftsbesuche, die bis vor Kurzem noch die Regel waren, erspart. Hier und jetzt, in seinen eigenen vier Wänden, kann er den Raum entwerfen und gestalten. Das Tablet, mit dem er den Raum abscannt, projiziert das 3D-Modell in Sekundenschnelle, welches über das Display in jeder Form mit detailgetreuen Abbildungen im 360-Grad-Bereich betrachtet werden kann. „Der Nutzer kann interaktive Perspektiven erstellen, verwalten, in eigene Apps integrieren und mit anderen teilen“, schildert Zeitler. Das Konzept kam so gut an, dass Vuframe seit inzwischen drei Jahren bereits hochkarätige Kunden betreut, darunter SIEMENS, BSH, KRONES, s. Oliver und andere sowie den Flughafen und die Messe München.
VUFRAME
Das Regensburger Start-up Vuframe bietet eine cloudbasierte Plattform für die selbstständige Erstellung und Verwaltung von 3D-, Augmented- & Virtual-Reality-Produktansichten. Oberstes Credo dabei war in der Entwicklungsphase, die Lösung für jeden kinderleicht und ohne Programmierkenntnisse nutzbar zu machen. 2015 wurde das Unternehmen, das inzwischen über 25 Mitarbeiter beschäftigt, von Andreas Zeitler gegründet. Zuvor sammelte der Wirtschaftsinformatiker 15 Jahre lang Erfahrung in der Gaming-Industrie.
Doch der Start war alles andere als einfach. Das Problem war, wie so oft, die Finanzierung: Die Entwicklung in die Software sowie die Produktetablierung verschlang Unsummen an Geld – Kosten, die eigentlich an den Kunden in irgendeiner Form weitergegeben werden müssen, um das Geschäftsmodell auch nur ansatzweise tragfähig zu machen. Eine der Anlaufstationen waren die Kunden vor Ort und schnell bayernweit der Einzelhandel. „Doch es hat sich gezeigt, dass die Händler die hohen Summen für die Nutzung der App nicht aufbringen konnten. In der Industrie sind Gebühren in Höhe von einigen Tausend Euro monatlich für diese und eine ähnlich etablierte Produktsoftware keine Seltenheit. Dieser Weg kam also nicht in Frage. Es brauchte eine Idee, eine, die allen Beteiligten trotzdem den größtmöglichen Nutzen versprach: den Händler, denen das Produkt gewinnbringend zur Verfügung gestellt werden kann, dem Hersteller, der seine Produkte auf den Markt bringen will und dafür auf den Händler angewiesen ist, und dem Unternehmen, das auf einen Profit aus diesem ansonsten für ihn dürftigen Deal hoffen darf. Die Suche nach der entscheidenden Innovation war gefragt.
2017 bewarb sich das Start-Up, angeregt durch Gespräche mit der Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel, für den Innovationswettbewerb „Handel im Wandel“, der 2018 zum fünften Mal stattfand. Vuframe qualifizierte sich schnell, denn die Geschäftsidee klang, das sahen die Experten sofort, vielversprechend. Gegen neun andere Teams, die mit ähnlich starken Innovationen aufwarteten, galt es sich zu behaupten. Am Schluss machte Vuframe das Rennen. Die Weichen für ein Produkt, das weltweit am Markt durschlagen würde, waren gestellt. Vuframe gewann – und konnte sich überdies über ein Preisgeld in Höhe von 10 00 Euro freuen. Doch wie gelang das? Wie sah die entscheidende Innovation aus? Der Einlauf in die Zielgeraden erfolgte nach einer intensiven Vorbereitungszeit. Von Oktober 2017 bis zum Herbst 2018 griff die Rid Stiftung Zeitler und seinem Team mit hochkarätigen Workshops und Seminaren unter die Arme. Dort entwickelte die Mannschaft die entscheidende Idee.
„Uns wurde bald klar, dass wir zunächst den Adressatenkreis ändern, uns an andere Personen wenden müssen“, erinnert sich Zeitler. Und zwar hin zum Verband, der finanziell auf wesentlich breiteren Füßen steht, als die in Frage kommenden Einzelhändler. Und dann: vom Verband hin zum Hersteller – Möbel- und Textilfirmen beispielsweise, die mit ihrem Kapital und Investitionsvolumen Nutzungsgebühren in der für Vuframe rentablen Höhe ohne weiteres stemmen konnten. Diese Firmen würden die Vuframe-App erwerben und sie dann den Einzelhändlern, die sie mit den Waren beliefern, zur Verfügung stellen: eine klassische Win-Win-Situation für alle. „Das hat geklappt“, freut sich Zeitler. Sogar Industriegiganten konnte er ins Boot holen, etwa Bosch-Siemens Hausgeräte. Von der Spitze bis zum Fundament: Das Band mit allen Akteuren war geknüpft. Jetzt musste nur noch der Kunde als der entscheidende Endverbraucher mit ins Boot geholt werden. Doch die Arbeit für Werbemaßnahmen und Marketing hielt sich in Grenzen, denn die App wurde wegen seines hohen Nutzwertes und seiner Anwenderfreundlichkeit sofort so etwas wie ein Selbstläufer. Inzwischen nutzen weltweit Hunderttausende die cloudbasierte Plattform für virtuelle Produktansichten. „Das hat richtig Spaß gemacht“, freut sich Zeitler. Da sind ruhig auch Träume, ja Visionen erlaubt: Die Vuframe-App soll eines Tages so erfolgreich wie die Youtube-App sein und dabei „echte“ Probleme – wie hohe Ladenmieten der Einzelhändler – lösen. „Wir wollen den Alltag der Nutzer einfacher, effizienter und heiterer machen“, wünscht sich der Firmeninhaber.
Und es ging zügig weiter: Vuframe hat neue Nutzertechnologien geschaffen, aktuell die SmartVu®-App, die Zeitler auch die „Zukunft der Produktpräsentation“ nennt. Mit dem digitalen Tool, das ebenfalls auf dem Prinzip der „Augmented Reality“ basiert, ist es möglich, realitätsgetreue 3D-Visualisierungen von Produkten zu erstellen. Die Visualisierungen sind interaktiv und lassen sich einem breiten Personenkreis zugänglich machen, etwa auf Messen, in Kundengesprächen oder auf der eigenen Website – in Zeit wie diesen, in der sich wegen der Corona-Pandemie persönliche Begegnungen auf dem Rückzug befinden und vieles online abgewickelt werden muss, ein echter Segen. Wieder innovationsverdächtig.
Text: Rid Stiftung / Rafael Sala
Fotos: Thomas Geiger / Ingeborg Herrmann