III. Retail Talk „Stadtentwicklung braucht den Handel" am 13.07.2023 in Freyung

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Der Film zum Talk

Retail-Tour Nachbericht

Auf die Retail Tour „Auf Zukunft ausgerichtet!“ folgte der Retail Talk „Stadtentwicklung braucht den Handel“ in Freyung

Im Anschluss an die Retail Tour fand am Abend in der Volksmusikakademie in Freyung der Retail Talk „Stadtentwicklung braucht den Handel“ statt. Nach der Eröffnung durch Michaela Pichlbauer, Vorständin der Rid Stiftung und der Moderation von Sabine Hansky, Programmdirektorin des Munich Urban Colab, diskutierte das Podium vor 100 Zuhörer*innen über die wirtschaftliche Bedeutung des Handels für die Stadt, welche Fördermaßnahmen von Politik und Verwaltung ergriffen werden und was man von den Beispielen in Freyung und Waldkirchen lernen kann.

Moderiert wurde die Diskussion von Sabine Hansky, Programmdirektorin des Munich Urban Colab.

 

Bild links: Michaela Pichlbauer, Vorständin der Rid Stiftung - Bild rechts: Sabine Hansky, Programmdirektorin des Munich Urban Colab

Auf dem Podium diskutierten:

  • Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und stellvertretender Ministerpräsident
  • Dr. Olaf Heinrich, 1. Bürgermeister der Stadt Freyung, Bezirkstagspräsident Niederbayern
  • Heinz Pollak, 1. Bürgermeister der Stadt Waldkirchen
  • Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern
  • Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern e. V.
  • Johannes Huber, Geschäftsführer des Modehauses Garhammer
Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und stellvertretender Ministerpräsident

Die erste Frage in der Podiumsdiskussion richtete sich an Staatsminister Aiwanger, inwiefern sein Ministerium den Handel in Bayern fördere. „Wir haben eine Vielzahl an Maßnahmen am Laufen – sei es der ‚Digitalbonus.Bayern‘, die Mittelstandkreditprogramme oder gemeinsam mit dem Bauministerium die Städtebaufördermittel zur Modernisierung der Innenstädte", erklärt der Minister.

Hubert Aiwanger, Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie und stellvertretender Ministerpräsident

Auch die IHK unterstützt den Handel. „Bei der Unterstützung des Handels setzt die IHK Niederbayern vor allem auf den Know-how-Transfer zwischen den Betrieben“, betonte IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner. In Netzwerktreffen und Praxisworkshops für Händler geben erfolgreiche Unternehmer tiefe Einblicke in ihre Strategie und Erfolgsrezepte. So konnten zum Beispiel bei einer E-Commerce-Veranstaltung rund 200 Teilnehmer von den Besten ihrer Branche lernen. Auch in kleineren Workshops legen Händler aus der Region beispielsweise ihre Kalkulation für ihre Online-Shops offen. Diese praktischen Einblicke seien weitaus effektiver als theoretische Fachartikel. „Wir bringen als IHK also die Unternehmen zusammen“, erklärte Alexander Schreiner. Ein weiteres wichtiges Instrument seien die sogenannten Online-Checks, ein Förderprogramm, bei denen sämtliche digitale Aktivitäten des Handelsbetriebes mit Online-Marketing-Experten auf den Prüfstand gestellt werden. Diese Kooperation mit der Rid Stiftung bringe den Betrieben ganz konkreten Mehrwert sowie Empfehlungen mit pragmatischen Lösungen. Bereits 170 Mal wurden diese erfolgreich durchgeführt. Abschließend betonte Schreiner wie wichtig es sei, die Kräfte zwischen dem Wirtschaftsministerium, dem Handelsverband, der Rid Stiftung und der IHK weiter zu bündeln, um den Handel gemeinsam weiter zu fördern.

Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern


Herr Pollak, 1. Bürgermeister der Stadt Waldkirchen berichtet dem Publikum von der sehr erfolgreichen „Werbetour“ der Stadt Waldkirchen und wie sehr das infrastrukturelle Wachstum der Stadt dadurch begünstigt wurde. Seine Maßnahmen adressieren den Handel als zentrales Element im Ökosystem Stadt. Keine umständlichen Bauvorschriften, Fokus auch auf Kindergärten, sinnvolle, übergreifende Werbemaßnahmen, sogar ein Mietzuschussprogramm zur Vermeidung von Leerständen hob er hervor. Er unterstrich die Vorreiterrolle von Waldkirchen als „Smart City“ mit der Echtzeitmessung und -analyse von Kundenströmen, die durch das Wirtschaftsministerium, dem Handelsverband Bayern e.V. und der Rid Stiftung gemeinsam gefördert wird. Ein Masterplan zum Umbau der Innenstadt sei auch in Bearbeitung. Sein Wunsch an die bayerische Staatsregierung: Einführung einer Internetsteuer und kostenpflichtige Retouren.

Heinz Pollak, 1. Bürgermeister der Stadt Waldkirchen


Hubert Aiwanger sieht die Forderung nach einer kostenpflichtigen Rücksendung kritisch. Es würde zu stark in das Geschäftsgebaren der Unternehmen eingreifen. Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern e. V. schloss sich dem an und forderte, den stationären Handel nicht gegenüber dem Onlinehandel durch viele Regularien faktisch zu benachteiligen und auch das Bewusstsein für nachhaltige Prozesse zu schärfen. 

Dr. Olaf Heinrich, 1. Bürgermeister der Stadt Freyung, schilderte dem Publikum, dass in Bezug auf die Stadtentwicklung in Freyung eine klare Strategie mit gezielter Entwicklung des Ortskerns verfolgt werde. Zudem werden Händler unterstützt, die „kommen wollen und attraktive Angebote aus Gastro, Kultur und Wohnen im Ort anbieten.“  Im Vergleich zu Waldkirchen werden keine Gewerbegebiete außerhalb des Stadtkerns ausgewiesen. Vielmehr stünde die Nachverdichtung des Ortes im Vordergrund, denn „qualitatives Wachstum ist möglich“. So wurde auch eine Änderung der städtischen Stellplatzsatzung umgesetzt, um den Bau einer erforderlichen Tiefgarage zu ermöglichen.

Dr. Olaf Heinrich, 1. Bürgermeister der Stadt Freyung, Bezirkstagspräsident Niederbayern


Auf der Handelsseite berichtete Johannes Huber vom Modehaus Garhammer von nicht zufriedenstellenden Experimenten mit Zalando während der Coronazeit und betonte, dass die Innovationskraft des Modehauses über Generationen hinweg die größte Tragkraft habe. Der Garhammer Markenkern bedeutet nämlich, dass die Mitarbeiter*innen „Gastgeber“ sind und damit gegenüber den Kunden und Kundinnen schon wörtlich eine andere Haltung einnehmen. Der Besuch im Modehaus sei eine Gästereise in fünf Phasen: „In den ersten beiden Phasen geht es um Ankommen, sich Wohlfühlen, das Wahrnehmen mit allen Sinnen und sich wie in einem 5-Sterne-Hotel fühlen“ so Johannes Huber, der damit Emotionalitäten kreieren möchte und Service als Handwerk versteht. „Dann erst folgen die Mode und die Beratung. Das macht auch den Unterschied zu größeren Städten wie München, die viel mehr Hektik im Einkaufserlebnis haben.“  Sein Wunsch an das bayerische Wirtschaftsministerium: die Abschaffung der Steuerklasse 3 und 5, dann wäre das Recruitment-Thema nicht mehr so erschwert, denn vor allem für viele Frauen würde eine Beschäftigung dann attraktiver werden.

Johannes Huber, Geschäftsführer der Modehaus Garhammer GmbH

Im Kontext der Steuerentlastung weist der Staatsminister auf seinen Ansatz hin, dass jede und jeder 2.000 Euro im Monat steuerfrei verdienen dürfe. Für Hubert Aiwanger steht fest: „Wir müssen dafür sorgen, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr netto vom Brutto haben. Damit unterstützen wir vor allem diejenigen, die stark unter der Inflation leiden. Außerdem brauchen wir mehr Flexibilisierung bei der Arbeitszeit. Alle, die mehr arbeiten wollen, sollen auch die Möglichkeit dazu bekommen."

Weitere Erfolgsfaktoren des Modehauses Garhammer: Nutzung der eigenen Social Media Kanäle für Verkaufsaktivitäten, Personalshoppingtermine, Personal Outfit, sprich der Versand von „Modeboxen“ bei der die Kunden und Kundinnen die Ware vorher gar nicht sehen. Die Retourenquote bei Personal Outfit liegt im Vergleich zu anderen Online Shop Retouren fast gleichauf. Das Onlineshoppingmodell im Hause Garhammer sei eingängig geprüft worden mit einer Retourenquote von 60%. Johannes Huber fasst zusammen: „Onlinehandel ist nicht mehr das Heil für alle Händler*innen, denn die Retouren in Deutschland seien die höchsten in ganz Europa.“ Eine Erklärung dafür läge in gelernten Mustern durch die großen Online-Player.

Zum Abschluss wendete sich die Moderatorin nochmal an Wolfgang Puff mit der Frage nach den drei wichtigsten Forderungen des Handels an die Politik für die Zukunft. „Wir benötigen eine wirkliche Entbürokratisierung, wir müssen dringend die Förderszenarien für mittelständische und auch kleine Unternehmen anpassen. Das Wichtigste aber: die Mobilität und damit Erreichbarkeit der Geschäfte müssen wir gewährleisten.“ Dieser Forderung schlossen sich auch beide Bürgermeister an, den Zielverkehr für die Stadt attraktiv zu halten und den Durchgangsverkehr zu minimieren.

Wolfgang Puff, Hauptgeschäftsführer Handelsverband Bayern e. V

Abschließend bedankte sich Michaela Pichlbauer im Namen der Rid Stiftung bei dem gesamten Podium für den erforderlichen und heute so erfolgreichen Austausch zwischen Politik und Handel.

Retail Talk - Impressionen (auf Bild klicken um Galerie zu öffnen)